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DIE SOZIALE BEWEGUNG IN CHINA (III)


Content:

Die soziale Bewegung in China (III)
V. Die Entwicklung des chinesischen Kapitalismus und die imperialistische Herrschaft
a) Was man Ursprüngliche Akkumulation nennt
b) Die »Öffnung« Chinas: Handel und Opium
c) Marx und China
Der Imperialismus und die Kompradorenbourgeoisie
Anhang
Notes
Source



Die soziale Bewegung in China (III)

Wir haben im letzten Artikel gesehen, welche Stellung die nationale und koloniale Frage in der marxistischen Theorie einnimmt. Die Errichtung eines nationalen Staates, die Entwicklung einer nationalen Wirtschaft, bilden auf keinen Fall das Ziel der politischen Kämpfe des Proletariats oder das Ergebnis seiner sozialen Bestrebungen. Der Stalinismus hat die Oktoberrevolution so vollständig negiert, dass er sie heute als blosses Vorspiel für die Akkumulation des Kapitals in Russland ansieht. Somit stellte er sich auf dieselbe Ebene wie die Sozialisten der II. Internationale, die nichts unversucht gelassen haben, um die revolutionäre Explosion von 1917 abzuriegeln und auf eine bürgerliche Revolution zu reduzieren. Die Bolschewiki waren aber keine verwirrten Jakobiner: sie gründeten die kommunistische Internationale, riefen das Weltproletariat zum Klassenkrieg auf und verliehen somit dem Zusammenbruch des Zarenreiches eine ganz andere Ausstrahlungskraft und Dimension. Wie Marx und Engels vorausgesehen hatten, zog die russische Revolution das bürgerliche Europa an den Rand des Abgrunds.

Die Gründer des Marxismus hatten von der chinesischen Revolution dieselben Rückwirkungen erwartet. Wir haben gezeigt, warum diese Erwartung enttäuscht wurde. Das Proletariat hat in China ohne Klassenführung gekämpft: die moskauer Internationale hat ihm die nationale Strategie der Kuomintang wie ein Halseisen aufgezwungen. Mao Tse-tung hat diese Politik keineswegs »berichtigt«: er war im Gegenteil deren Erbe und Fortsetzer. Nach dem Beispiel des stalinistischen Russlands, predigt China sein Modell des Wirtschaftsaufbaus als höchsten Erfolg und einzige Perspektive des »Sozialismus«. In den kapitalistischen Metropolen begnügt sich die chinesische »Internationale« damit, »Gesellschaften der Freunde Chinas« zu gründen, wo sich liberale Bourgeois, Teetrinker und Briefmarkensammler treffen. Das neue »Vaterland des Sozialismus« hat nicht einmal die moskauer Formel des »Sozialismus der Nationen« wieder aufgewärmt.

In diesem Artikel wollen wir zeigen, wie die strategischen und taktischen Positionen des Proletariats in der nationalen und kolonialen Frage auf der Untersuchung und Voraussicht der vom Kapital entfesselten ökonomischen Gegensätze beruhen. Durch die Bildung des Weltmarktes konnten sich die kapitalistischen Metropolen Kolonien ergattern. Auf dem Weltmarkt fanden diese Kolonien die Bedingungen ihrer Befreiung, und es ist schliesslich auch dieser Weltmarkt, der über ihre kapitalistische »Entwicklung« entscheidet. Keine einzige Form der Unabhängigkeit, kein eiserner Vorhang, können eine »nationale« Wirtschaft vom harten Gesetz des Weltmarkts befreien. Das kapitalistische System hat zwar im nationalen Staat sein bestes Herrschaftsinstrument, das kapitalistische System ist aber ein Weltsystem. Es entstand und lebt aus der permanenten Revolutionierung der Verhältnisse zwischen den Menschen, den Völkern und den Kontinenten. Die Untersuchung dieser anarchischen Beziehungen und ihrer Bruchstellen, gleichzeitig die Untersuchung der Reflexe dieser Gegensätze auf die Verhältnisse zwischen den Klassen, bilden die Grundlage aller marxistischen Positionen zur nationalen und kolonialen Frage.

Der Marxismus ist also weit davon entfernt, die Apologie der Staaten oder ihrer ökonomischen »Entwicklung« zu machen. Das proletarische China hätte wohl einen der Schlüssel der sozialen Revolution im Westen liefern können. Das bürgerliche China kann hingegen ebensowenig wie ein anderes Land, so »entwickelt« es auch sein mag, das Geschick der kapitalistischen Welt, und übrigens nicht einmal sein eigenes, bestimmen.

V. Die Entwicklung des chinesischen Kapitalismus und die imperialistische Herrschaft

Zwischen der Öffnung Chinas für den Welthandel (oder besser für die englische Räuberei) und der Gründung der »Volksdemokratie«, also dem vollständigen Sieg der kapitalistischen Produktionsweise, verging ein Jahrhundert. Es ist nicht unsere Absicht, hier die Geschichte dieser Periode zu skizzieren, und auch nicht, alle Fälschungen der offiziellen Geschichtsschreibung zu entlarven. Wir sind keineswegs darüber erstaunt, dass die ernsthaftesten Lehrbücher des maoistischen Chinas die bedeutendsten Seiten von Marx, Engels oder Lenin unter Schweigen begraben. Das ist verständlich, weil letztere von ganz anderen Überlegungen ausgehen, als die Herrscher des neuen Chinas. Wir haben ihre »Widerlegung« der marxistischen Theorie der asiatischen Produktionsweise kritisiert. Jetzt geht es darum, die Entwicklung des Kapitalismus in China zu erörtern und die These zu widerlegen, die im Sieg des Kapitals das Endziel jeglicher sozialer Bewegung und den Rahmen jedweden »Fortschritts« erblickt.

a) Was man Ursprüngliche Akkumulation nennt.

Das erste Buch des »Kapitals« geht von der Untersuchung des Geldes, des Kapitals und des Mehrwerts in einer entwickelten kapitalistischen Gesellschaft aus (England im XIX. Jahrhundert), um ihren Entstehungsprozess zu schildern und bis auf die Geheimnisse der »ursprünglichen Akkumulation« zurückzugehen.

»Man hat gesehen, wie Geld in Kapital verwandelt, durch Kapital Mehrwert und aus Mehrwert mehr Kapital gemacht wird. Indes setzt die Akkumulation des Kapitals den Mehrwert, der Mehrwert die kapitalistische Produktion, dieser aber das Vorhandensein grösserer Massen von Kapital und Arbeitskraft in den Händen von Warenproduzenten voraus. Diese ganze Bewegung scheint sich also in einem fehlerhaften Kreislauf herumzudrehen, aus dem wir nur hinauskommen, indem wir eine der kapitalistischen Akkumulation vorausgehende ›ursprüngliche‹ Akkumulation (›previous accumulation‹ bei Adam Smith) unterstellen, eine Akkumulation, welche nicht das Resultat der kapitalistischen Produktionsweise ist, sondern ihr Ausgangspunkt.« »Diese ursprüngliche Akkumulation spielt in der politischen Ökonomie ungefähr dieselbe Rolle wie der Sündenfall in der Theologie.« (Marx, »Das Kapital«, MEW, Bd. 23, S. 741).

Nachdem er das Rätsel der Geldform und den Ursprung des Mehrwerts entschleiert hat, geht Marx also auf diese »Erbsünde« der Nationalökonomie zurück, keineswegs aber um sie »freizusprechen«, sondern um im Gegenteil aufzuzeigen, mit welcher Leichtfertigkeit der reife Kapitalismus seine Jugendsünden vergisst, wie Chruschtschow die Sünden Stalins und Kossygin die Sünden Chruschtschows »vergessen«, um das Lob der »Wohlstandsgesellschaft« und des Profits besser singen zu können. Marx verfolgt daher die Geschichte der Kolonisation, um das Gedächtnis der englischen Bourgeois aufzufrischen. Konnte er sich vorstellen, dass die alten englischen Kolonien ein Jahrhundert später die Fahne des Sozialismus schwenken würden, nicht um sie auf den London Tower zu stecken, sondern um das Elend ihrer eigenen ursprünglichen Akkumulation zu verschleiern? Heutzutage wird der »Sündenfall« des russischen oder chinesischen, jugoslawischen oder indischen Kapitalismus »sozialistischer Aufbau« genannt.

Zunächst deckt Marx den sogenannten friedlichen und harmonischen Charakter der ursprünglichen Akkumulation auf:

»In der wirklichen Geschichte spielen bekanntlich Eroberung, Unterjochung, Raubmord, kurz Gewalt die grosse Rolle. In der sanften politischen Ökonomie herrschte von jeher die Idylle: Recht und ›Arbeit‹ waren von jeher die einzigen Bereicherungsmittel, natürlich mit jedesmaliger Ausnahme von ›diesem Jahr‹. In der Tat sind die Methoden der ursprünglichen Akkumulation alles andere, nur nicht idyllisch.« (ebenda, S. 742).

Marx widmet mehrere Seiten des »Kapitals« der Beschreibung der Bauernenteignung, der »Blutgesetzgebung wider Vagabundage«, unerlässliche einleitende Takte der Lohnknechtschaft. Er begnügt sich aber nicht mit Geschichtsschreibung: er zeigt, dass das, was dem England des XIX. Jahrhunderts als ferne Vergangenheit scheinen könnte, die blutige Wirklichkeit der englischen Kolonien darstellt. Marx lässt sich die Sicht nicht durch das »Vaterland des Kapitalismus«, durch die Trugbilder seiner »Nationalökonomie« und seiner »Entwicklung« versperren. Er zeigt uns die kapitalistische Revolution als widersprüchliches und weltweites Phänomen.

»Die Entdeckung der Gold- und Silberländer in Amerika, die Ausrottung, Versklavung und Vergrabung der eingebornen Bevölkerung in die Bergwerke, die beginnende Eroberung und Ausplünderung von Ostindien, die Verwandlung von Afrika in ein Gehege zur Handelsjagd auf Schwarzhäute bezeichnen die Morgenröte der kapitalistischen Produktionsära. Diese idyllischen Prozesse sind Hauptmomente der ursprünglichen Akkumulation. Auf dem Fuss folgt der Handelskrieg der europäischen Nationen, mit dem Erdrund als Schauplatz. Er wird eröffnet durch den Abfall der Niederlande von Spanien, nimmt Riesenumfang an in Englands Antijakobinerkrieg, spielt noch fort in den Opiumkriegen gegen China usw.«
»Die verschiedenen Momente der ursprünglichen Akkumulation verteilen sich nun, mehr oder minder in zeitlicher Reihenfolge, namentlich auf Spanien, Portugal, Holland, Frankreich und England. In England werden sie Ende des 17. Jahrhunderts systematisch zusammengefasst im Kolonialsystem, Staatsschuldensystem, modernen Steuersystem und Protektionssystem. Diese Methoden beruhen zum Teil auf brutalster Gewalt, z. B. das Kolonialsystem. Alle aber benutzten die Staatsmacht, die konzentrierte und organisierte Gewalt der Gesellschaft, um den Verwandlungsprozess der feudalen in die kapitalistische Produktionsweise treibhausmässig zu fördern und die Übergänge abzukürzen. Die Gewalt ist der Geburtshelfer jeder alten Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht. Sie selbst ist eine ökonomische Potenz.« (ebenda, S. 779).

Heute noch gibt es keine ehemalige Kolonie in Afrika oder Asien, deren Bourgeoisie nicht die Bereicherung durch Recht und Arbeit im Respekt vor dem allmächtigen Nationalstaat predigt. Dies ist das ABC des Stalinismus. Hinter den Schlagworten »Recht auf Arbeit« und »das Land dem, der es bebaut«, verbirgt sich die massenhafte Expropriation, die Verwandlung von Hunderten Millionen Menschen in Proletarier – von Russland bis China, von Afrika bis Südostasien. Und selbst wenn diese Entwicklungsmethoden nicht immer auf direkter Gewaltanwendung beruhen, wie Marx sagt, so benutzen sie alle die Staatsmacht, um den Übergang zur Kapitalherrschaft gewaltsam zu beschleunigen. Genauso, wie England die Methoden ihrer Vorgänger systematisch zusammenfasste, versuchen die neuen Konkurrenten des XX. Jahrhunderts alle Methoden des Kapitalismus zu kombinieren: Kooperation und Bauerneigentum, Weltmarkt und Protektionismus, »Sozialismus« und Ausbeutung der Lohnarbeit.

In seiner Entlarvung der politischen Ökonomie befasst sich Marx mit den Kolonisationstheorien, insbesondere mit Wakefields sogenannter Theorie der »systematischen Kolonisation«. Es ging darum zu zeigen, wie wenig die Wirklichkeit der kapitalistischen Akkumulation dem apologetischen Schlagwort der bürgerlichen Gesellschaft, den sogenannten Menschen- und Bürgerrechten, entspricht. Wenn wir uns die Ideen der »systematischen Kolonisation«, die darauf abzielten, in den Kolonien Lohnarbeiter zu fabrizieren, näher anschauen, werden wir darin den Keim aller »sozialistischen Systeme« unserer modernen Entkolonisierer entdecken können.

»Auf diese fertige Welt des Kapitals [Europa Mitte des vorigen Jahrhunderts] wendet die politische Ökonomie mit desto ängstlicherem Eifer und desto grösserer Salbung die Rechts- und Eigentumsvorstellungen der vorkapitalistischen Welt an, je lauter die Tatsachen seiner Ideologie ins Gesicht schreien.
Anders in den Kolonien. Das kapitalistische Regiment stösst dort überall auf das Hindernis des Produzenten, welcher als Besitzer seiner eigenen Arbeitsbedingungen sich selbst durch seine Arbeit bereichert statt den Kapitalisten. Der Widerspruch dieser zwei diametral entgegengesetzten ökonomischen Systeme betätigt sich hier praktisch in ihrem Kampf.« (ebenda, S. 792).

Marx zeigt hier eine wichtige Tatsache der nationalen und kolonialen Frage, nämlich die Möglichkeit für einen Teil der ausgebeuteten Massen der Kolonien, sich der Widersprüche der bürgerlichen Ideologie bewusst zu werden und diese zurückzuweisen, wie das Proletariat in den kapitalistischen Metropolen. Gerade der offene, ungeschminkte Kampf der »nationalen« Bourgeoisie und des Weltimperialismus, um diese Bauernmassen zu expropriieren, kann ihr Bewusstsein fördern und sie u. a. für einen entscheidenden Augenblick auf das Terrain des Proletariats stellen: welch ein Unterschied zwischen dem Schicksal des englischen »Yeoman« des 17. Jahrhunderts und dem des russischen Muschiks, Soldat der Oktoberrevolution!

»Dasselbe Interesse, welches den Sykophanten des Kapitals, den politischen Ökonomen, im Mutterland bestimmt, die kapitalistische Produktionsweise theoretisch für ihr eigenes Gegenteil zu erklären, dasselbe Interesse treibt ihn hier [in den Kolonien] to make a clean breast of it [die Sache offen auszusprechen] und den Gegensatz beider Produktionsweisen zu proklamieren. Zu diesem Behuf weist er nach, wie die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit, Kooperation, Arbeitsteilung, Anwendung der Maschinerie im grossen usw. unmöglich sind ohne die Expropriation der Arbeiter und die entsprechende Verwandlung ihrer Produktionsmittel in Kapital. Im Interesse des sog. Nationalreichtums sucht er nach Kunstmitteln zur Herstellung der Volksarmut. Sein apologetischer Panzer zerbröckelt hier Stück für Stück wie mürber Zunder.« (ebenda, S. 793)

Wir sind hier weit entfernt von den russisch-chinesischen Hymnen an die »industrielle Entwicklung«, von den Erklärungen über die »Freiheit«, die »ökonomische Selbständigkeit« und das »auf Arbeit beruhende Eigentum«. Marx deckt in der kolonialen Räuberei die Wirklichkeit der kapitalistischen Akkumulation auf und zeigt, wie Wakefields Kolonisationstheorie das nec plus ultra unserer modernen »Entwicklungstheorien« und anderer »Theorien des sozialistischen Aufbaus« ist. Weisen wir zunächst darauf hin, dass die Ideen von Wakefield in Amerika angewandt wurden, um einen scheinbar unlösbaren Widerspruch, der die ganze Entwicklung der USA hinderte, zu lösen: nämlich die Notwendigkeit, dass das Land Volkseigentum bleibt, um neue Kolonisten anzuziehen und die nicht geringere Notwendigkeit des Kapitals, dem freien Produzenten das Land zu entreissen. Wir werden auf diese »Schwierigkeiten« zurückkommen bei der Untersuchung der bürgerlichen Rezepte Mao Tse-tungs. Wir möchten hier nur noch hinzufügen, dass nicht die »Ideen« von Wakefield das Problem der kapitalistischen Entwicklung der USA lösten sondern Umwälzungen einer ganz anderen Dimension.

Worum es uns hier geht, sind die Voraussetzungen für den Ausgangspunkt der »systematischen Kolonisation«. Wakefield liefert uns eine eigene Fassung des »Sozialvertrags«:

»›Die Menschheit […] adoptierte eine einfache Methode zur Förderung der Akkumulation des Kapitals, sie teilte sich in Eigner von Kapital und Eigner von Arbeit […] diese Teilung war das Resultat freiwilliger Verständigung und Kombination.‹« (MEW, Bd. 23, S. 795. Marx zitiert hier aus E. G. Wakefield, »England und Amerika«, Bd. 1, S. 18).

Warum sollten die Entwicklungsländer nicht einen solchen Vertrag mit verbesserten Klauseln wiederholen?

»Nun sollte man glauben« – kommentiert Marx »der Instinkt dieses selbstentsagenden Fanatismus müsse sich namentlich in Kolonien den Zügel frei schiessen lassen, wo allein Menschen und Umstände existieren, welche einen contrat social aus dem Traumreich in das der Wirklichkeit übersetzen könnten.« (MEW, Bd. 23, S. 795)

Und das ist nicht allein die »Idee« des ehrwürdigen Wakefield, sondern auch von Stalin, Mao, Ben Bella und alle anderen »nationalen Sozialismen«, die uns, wie Marx sagt, glauben machen möchten, dass »die Masse der Menschheit« »sich selbst zu Ehren der ›Akkumulation des Kapitals‹« »expropriierte«! (ebenda)

Von den Opiumkriegen bis zu den »Sprüngen nach vorn« war es jedoch niemals so!

b) Die »Öffnung« Chinas: Handel und Opium

Um den Unterschied zwischen der offiziellen chinesischen Geschichtsschreibung und unserer Auffassung der historischen Entwicklung klar herauszustellen, schlagen wir für einen Augenblick das Lehrbuch »Histoire générale de la Chine« auf, das 1958 von der chinesischen Gesellschaft für Geschichtsforschung in Peking veröffentlicht wurde.

Die Autoren wählten das »republikanische« Jahr 1911 für die Teilung der modernen chinesischen Geschichte. Vor dem Umsturz der Mandschurendynastie hätten wir die »Epoche der demokratischen Revolution des alten Typs«, nach 1911 die »Epoche der Revolution der neuen Demokratie und des Übergangs der neuen Demokratie zum Sozialismus«. Wenn wir aber, immer noch von diesem Taschenspielertrick geblendet, versuchen, zwischen der Demokratie »alten Typs« und der »neuen« Demokratie zu unterscheiden, werden wir feststellen, dass den bürgerlichen Demokraten à la Sun Yat-sen eine unerwartete Vaterschaft bezeugt wird: die des maoistischen »Sozialismus«. Selbst die Teilung der Geschichte in »altes« und »neues« Testament versetzt uns in »Staunen«. Wir sehen darin, wie die Demokratie wächst und sich vermehrt – bis zur Offenbarung des »Sozialismus«. Wir sehen darin die paradoxe Kurve einer »nationalen« Bourgeoisie, die in dem Masse, in dem sich die Kapitalherrschaft festigt, immer »revolutionärer« wird. Und der ganze Unterschied zwischen der Demokratie »alten Typs« und der »neuen« Demokratie fasst sich wie folgt zusammen: während die Kompradorenbourgeoisie durch ihre Kompromisse mit dem ausländischen Imperialismus die Interessen des Vaterlandes verriet, sind die Bourgeois der »neuen Demokratie« endlich »nationale« Bourgeois geworden.

Lassen wir aber die dynastische und republikanische Chronologie beiseite. Die Geschichte der Entwicklung des Kapitalismus in China zeigt uns ein grundverschiedenes Bild. Zunächst haben wir die »Öffnung« Chinas durch die englischen und französischen Kanonen. Dieses goldene Zeitalter des europäischen Kapitalismus entwickelt sich bald zum Imperialismus und zur Erscheinung neuer Konkurrenten – Russland Japan und die USA – in China. Der Vertrag von Shimoneseki der 1895 nach dem Japanisch-chinesischen Krieg abgeschlossen wurde, markierte den Anfang dieser neuen Phase der Aufteilung Chinas in Einflusssphären für den Kapitalexport. Dieses Datum stellt neben dem Boxeraufstand einen viel wichtigeren Schnitt in den Beziehungen zwischen dem Weltimperialismus und der nationalen Bewegung Chinas dar. In den Augen unserer Mandarine ist dies wohl aber viel zu viel auf der Linie des »Imperialismus« von Lenin, berücksichtigt wohl viel zu viel die grossen Ströme der Weltgeschichte und viel zu wenig die Geschichte der chinesischen Kaiser…

Auf Seite 107 der »Histoire générale« lesen wir noch folgendes:

»Die reaktionären feudalen Kräfte wurden durch die zwei Opiumkriege nach und nach an die ausländischen Kapitalisten, die gekommen waren, um China zu berauben, gebunden. Sie haben sich miteinander zusammengetan, um die revolutionäre Bewegung des chinesischen Volkes zu ersticken. Sie versperrten den Weg der selbständigen Entwicklung der feudalen Gesellschaft zum Kapitalismus, den China einschlagen sollte, und zwangen China das tragische Schicksal eines halbkolonialen und halbfeudalen Landes auf«. (von uns hervorgehoben, IKP).

Peking entdeckt also nach den »nationalen Wegen zum Sozialismus« auch die »nationalen Wege zum Kapitalismus«. Letztere könnten freilich weniger »originell« erscheinen, ist ja der Nationalstaat typisch für den Kapitalismus. Eine solche Auffassung ist nichtsdestotrotz grundfalsch. Die nationale Geschichtsschreibung des Maoismus tritt zunächst in Widerspruch zu sich selbst, zu ihren heiligen Prinzipien. Wie würde in der Tat der »Weg einer selbständigen Entwicklung der feudalen Gesellschaft zum Kapitalismus« im China der »Demokratie alten Typs« aussehen? Wir können uns nur einen vorstellen: den Weg der an die Interessen des Weltimperialismus gebundenen Kampradorenbourgeoisie. Die Geschichtsschreiber der »neuen Demokratie« haben diesen Weg immer als »bürokratischen Kapitalismus« angeprangert. Es gibt also aber einen anderen Weg, der vom Sieg Maos geöffnet wurde und sich mit recht als »selbständig« erklärt, der Weg des sog. »sozialistischen Aufbaus«. Soll man darin ein Geständnis erblicken?

Die nationale bürgerliche Ideologie, die die Geschichte der Staaten in ihrer Art zurechtschreibt, so wie sie sich die idylle eines »Sozialvertrags« als Legitimierung ihrer Klassenmacht vorstellt, tritt jedoch auch in Widerspruch zur Wirklichkeit der kapitalistischen Entwicklung. Marx hat dies in Bezug auf England, der Heimat des Kapitals, gezeigt: England konnte seine Herrschaft nur durch die Umwälzung und Ausbeutung der ganzen Welt festigen. Diese Abhängigkeit vom Weltmarkt und von der Weltpolitik ist noch stärker bei dem Opfer des Imperialismus, den Kolonialländern, die ihrerseits nach einer »unabhängigen Entwicklung« trachten. Die apologetische Geschichtsschreibung verfälscht völlig die Rolle, die der europäische Kapitalismus im vorigen Jahrhundert bei dem Erwachen Asiens spielte. Weit davon entfernt, die Entwicklung Asiens »blockiert« zu haben, hat er sie im Gegenteil beschleunigt und der alten asiatischen Produktionsweise einen entscheidenden Schlag versetzt.

Zur »Manufaktur der Welt« geworden, konnte das bürgerliche England die Baumwoll- und Seidenerzeugnisse des kleinen chinesischen Familienhandwerks nicht weiter importieren. Andererseits konnte es ebensowenig auf einen so weiten Markt für seine Industrieprodukte verzichten, da in Europa neue Konkurrenten auftraten. Die Mandschu-Dynastie verteidigte aber hartnäckig ihre Macht und misstraute verständlicherweise den westlichen Händlern. 1759 setzte sie durch das Dekret »Fünf Vorkehrungen gegen die Ausländer« (Fang-yi wu-shi) der Bewegungsfreiheit der Barbaren enge Grenzen. Die Vorkehrungen waren im einzelnen: 1. die Ausländer dürfen den Winter nicht in Kanton verbringen; sie sollen zur festgesetzten Zeit in ihre Heimat zurückkehren oder in Macau bleiben. 2. sie sollen während ihres Aufenthaltes in Kanton in den Niederlassungsgebäuden bleiben; sie dürfen keine Waffen tragen und nicht nach Belieben ausgehen; 3. sie dürfen den Chinesen kein Geld leihen und keine Chinesen als Diener einstellen; 4. sie dürfen keine Chinesen zur Übermittlung von Nachrichten verwenden; 5. die in Kanton ankernden Schiffe müssen unter ständiger chinesischer Kontrolle bleiben. Die Massnahmen wurden in den Jahren 1809, 1831 und 1835 noch verschärft. Der gesamte Fremdhandel wurde praktisch auf Kanton beschränkt und vollzog sich allein über vom Staat privilegierte chinesische Firmen, die sog. Cohong.

1834 – das Jahr, an dem das Monopol der East India Company über den Chinahandel zu Ende ging – machten sich die Folgen der englischen Industriellen Revolution noch nicht auf den englisch-chinesischen Handel bemerkbar. Im Gegenteil, das Defizit der englischen Handelsbilanz nahm ständig zu. Die Einfuhr des chinesischen Tees – der im mageren Arbeiterbreakfast den Platz der Milch eingenommen hatte – nahm einen beträchtlichen Umfang an. Und das Handelsdefizit musste mit Gold und Silber beglichen werden!

Es ist bekannt, was England erfunden hat, um diesen Schwund von Edelmetallen zu stoppen. Bis zum 13. Jahrhundert wurde das Opium lediglich als Medikament verwendet. Aber 1773 ergriffen die Leiter der East India Company die Initiative, den Mohnanbau in Indien zu entwickeln und den Rauschgifthandel nach China hineinzutragen. Das Opium wurde sehr teuer verkauft und glich die Teekäufe aus. Die Abschaffung des Handelsmonopols der East Indian Company erleichterte dazu den Schmuggel. Der Widerstand der chinesischen Autoritäten, die Beschlagnahme und Vernichtung von tausenden von Rauschgiftkisten in Kanton, lösten den ersten Opiumkrieg aus (1839–1842). Der Vertrag von Nanking (1842), der nach dem zweiten Opiumkrieg durch die Verträge von Tientsin bestätigt wurde, eröffnete die lange Reihe von »ungleichen Verträgen«, die die imperialistischen Mächte China aufzwangen. China musste weitere Häfen für den Aussenhandel freigeben, Hongkong an England abtreten und vor allem auf jede selbständige Zollpolitik verzichten. Die Wareneinfuhrzölle durften 5 % des Wertes nicht übersteigen, und Ende des Jahrhunderts sollte dieser Satz noch weiter auf 3 % reduziert werden. Die englischen Kaufleute jauchzten bei der Perspektive von unbegrenzten Absätzen. Sie sollten aber bald enttäuscht werden.

In einem seiner ersten Artikel über die Ereignisse in China zeigte Marx den Zusammenhang zwischen dem Opiumkrieg und der Taiping-Bewegung. Die Untergrabung der kaiserlichen Autorität, der Ruin des häuslichen Handwerks infolge der englischen Industriekonkurrenz, die Verschärfung der Steuerlast der Bauernschaft, all diese Faktoren setzten der tausendjährigen Stabilität Chinas ein Ende:

»Die langsam aber regelmässig steigende Übervölkerung des Landes machte die dortigen gesellschaftlichen Verhältnisse schon lange sehr drückend für die grosse Majorität der Nation. Da kamen die Engländer und erzwangen sich den freien Handel nach fünf Häfen. Tausende von englischen und amerikanischen Schiffen segelten nach China, und in kurzer Zeit war das Land mit wohlfeilen britischen und amerikanischen Maschinenfabrikaten überfüllt. Die chinesische, auf der Handarbeit beruhende Industrie erlag der Konkurrenz der Maschine. Das unerschütterliche Reich der Mitte erlebte eine gesellschaftliche Krise. Die Steuern gingen nicht mehr ein, der Staat kam an den Rand des Bankerotts, die Bevölkerung sank massenweise in den Pauperismus hinab, brach in Empörungen aus, misskannte, misshandelte und tötete des Kaisers Mandarine und Fohis Bonzen. Das Land kam an den Rand des Verderbens und ist bereits bedroht mit einer gewaltigen Revolution. Aber noch schlimmer. Unter dem aufrührerischen Plebs traten Leute auf, die auf die Armut der einen, auf den Reichtum der anderen hinwiesen, die eine andere Verteilung des Eigentums, ja die gänzliche Abschaffung des Privateigentums forderten und noch fordern.« (MEW, Bd. 7, S. 221 f.)

Das klingt ganz anders als die maoistische Geschichtsschreibung! Nicht vom Gesichtspunkt seiner »selbständigen Entwicklung« betrachtet Marx die Öffnung Chinas für den Weltmarkt, sondern als Resultat der Kapitalexpansion und als sicheres Indiz für neue Krisen und Revolutionen. Ohne sich über den chinesischen »Sozialismus der Taipings« Illusionen zu machen, fragt sich Marx über die Chancen einer bürgerlichen Revolution in China, einer Revolution, die der Profitgier des weissen Imperialismus eine Schranke aufstellen und dem alten Europa einen neuen revolutionären Stoss gegen würde:

»Der chinesische Sozialismus mag sich nun freilich zum europäischen verhalten wie die chinesische Philosophie zur Hegelschen. Es ist aber immer ein ergötzliches Faktum, dass das älteste und unerschütterlichste Reich der Erde durch die Kattunballen der englischen Bourgeois in acht Jahren an den Vorabend einer gesellschaftlichen Umwälzung gebracht worden ist, die jedenfalls die bedeutendsten Resultate für die Zivilisation haben muss. Wenn unsere europäischen Reaktionäre auf ihrer demnächst bevorstehenden Flucht durch Asien endlich an der chinesischen Mauer ankommen, an den Pforten, die zu dem Hort der Urreaktion und des Urkonservatismus führen, wer weiss, ob sie nicht darauf die Überschrift lesen:
République chinoise
Liberté, Égalité, Fraternité.«
(MEW, Bd. 7, S. 222)

Marx schrieb diese Zeilen im Februar 1850, zum Zeitpunkt des Taipingaufstands. Genau ein Jahrhundert musste man warten, bis China diese Inschrift vorzeigen konnte. Und trotz der »sozialistischen« Politur hat diese Revolution unsere Reaktionäre in Europa und Amerika nicht sonderlich erschreckt, sie führte auch nicht zu ihrem Ruin. Im Gegenteil! Die Regierung des ultrakonservativen Englands »erkannte« die Volksrepublik China am 6. Januar 1950 an und behielt Hongkong. Am 14. Februar war der erzreaktionäre Wyschinski an der Reihe, der in Moskau mit einem Bündnis-, Freundschafts- und Zusammenarbeitsvertrag mit China, die mit der Anerkennung vom 2. Okt. 1949 eingeleiteten offiziellen Beziehungen zum »Bruderstaat« festigte.

Mitte des vorigen Jahrhunderts erwartete Marx keine proletarische Revolution in China. Er erwartete aber, dass die bürgerliche Revolution tödliche Folgen für den westlichen Kapitalismus haben würde: Zusammenschrumpfung des Marktes, Handelskrise und soziale Revolution in Europa. Er hat diese Perspektive aber niemals mit einer »selbständigen Entwicklung« des chinesischen Kapitalismus oder mit einem »fruchtbaren« Warenaustausch mit dem Ausland verbunden.

c) Marx und China

In einer Reihe von Artikeln, die zwischen 1853 und 1860 in den »New York Daily Tribune« erschienen, untersuchte Marx die chinesische Lage nach dem ersten und während des zweiten Opiumkriegs. Der Artikel »Die Revolution in China und in Europa« (14. Juni 1853) stellt die britische Expansion in Asien, den Taipingaufstand und die drohende neue Krise in Europa als Glieder einer selben Kette dar:

»Was immer die sozialen Ursachen sein mögen, die zu den chronischen Aufständen in China in den letzten zehn Jahren geführt und die sich jetzt zu einer einzigen ungeheuren Revolution zusammengeballt haben, und welche religiösen, dynastischen oder nationalen Formen sie annehmen mögen: ausgelöst wurde dieser Ausbruch ohne Frage dadurch, dass die englischen Kanonen China das Rauschgift aufzwangen, das wir Opium nennen. Vor den britischen Waffen ging die Autorität der Mandschu-Dynastie in Scherben; das abergläubige Vertrauen in die Unvergänglichkeit des Reichs des Himmels brach zusammen; die barbarische hermetische Abschliessung vor der zivilisierten Welt wurde durchbrochen und eine Bresche geschlagen für den Verkehr, der sich inzwischen durch die Anziehungskraft des kalifornischen und australischen Goldes so rasch entwickelt hat.«
»Zur Erhaltung des alten Chinas war völlige Abschliessung die Hauptbedingung. Da diese Abschliessung nun durch England ihr gewaltsames Ende gefunden hat, muss der Zerfall so sicher erfolgen wie bei einer sorgsam in einem hermetisch verschlossenen Sarg aufbewahrten Mumie, sobald sie mit frischer Luft in Berührung kommt. Die Frage ist jetzt, nachdem England die Revolution über China gebracht hat, wie diese Revolution mit der Zeit auf England und – über England – auf Europa zurückwirken wird.« (MEW, Bd. 9, S. 95f/97)

Um diese Frage zu beantworten, untersuchte Marx gründlich den englisch chinesischen Handel ab 1842. Daraus folgerte er, dass die masslosen Erwartungen, die die britischen Industriellen an die »Öffnung« des chinesischen Marktes knüpften, notwendigerweise Schiffsbruch erleiden würden. Die Eroberung Chinas und die Entdeckung des kalifornischen Goldes hatten eine neue Phase der bürgerlichen »Prosperität« in Europa eröffnet, deren Ende man jedoch in den Schranken der Marktwirtschaft selbst ablesen konnte:

»Nach dem Sturz Napoleons, als der europäische Kontinent wieder dem britischen Handel zugänglich wurde, erwiesen sich die britischen Exporte seinem Aufnahmevermögen so wenig angemessen, dass ›der Übergang vom Krieg zum Frieden‹ sich katastrophaler auswirkte als die Kontinentalsperre selbst. So trug auch Cannings Anerkennung der Unabhängigkeit der spanischen Kolonien in Amerika dazu bei, die Handelskrise von 1825 auszulösen. Waren, die für das Moskauer Klima berechnet waren, wurden nach Mexiko und Kolumbien gesandt. Und in unseren Tagen ist sogar Australien, trotz der Ausdehnungsfähigkeit seines Marktes, dem Schicksal aller neuen Märkte nicht entgangen; es ist so überfüllt mit Waren, dass sowohl seine Konsumtionsfähigkeit als auch seine Zahlungsmittel erschöpft sind. Die den chinesischen Markt kennzeichnende Erscheinung ist folgende: Seit seiner Erschliessung durch den Vertrag von 1842 hat der Export von chinesischem Tee und chinesischer Seide nach Grossbritannien ständig zugenommen, während der Importhandel mit britischen Fabrikaten nach China im grossen und ganzen unverändert blieb.« (»Über den britisch-chinesischen Vertrag«, MEW, Bd. 12, S. 567).

Marx verfolgt diese Entwicklung bis 1857. Wir können dieses Bild aber mit jüngeren Zahlen ergänzen, um die Tendenz des chinesischen Aussenhandels am Vorabend der Aufteilung des Landes in Einflusszonen und des Übergangs des Kapitalismus zu seiner höchsten Phase, zum Imperialismus zu untersuchen. Die »Neue Geschichte Chinas« von Fan Wön-lan [Fan Wen-lan] liefert uns Zahlen, die den Vorteil haben, die Opiumeinfuhr auszuklammern:

Chinesischer Aussenhandel (in 1000 Ljang)
Jahr Einfuhr Ausfuhr Überschuss
1864 51 293 54 006 + 2713
1870 69 290 61 682 − 7508
1876 70 269 80 850 + 10 581
1887 102 263 85 860 − 16 403
1890 127 093 87 144 − 39 949
1894 162 110 128 997 − 33 223

(Fan Wen-lan: »Histoire moderne de la Chine«, Bd. 1 Kap. 5. Wir zitieren die Zahlen der französischen Ausgabe. Die deutsche Ausgabe – Berlin-Ost, 1959 übernimmt die Zahlen der 9. chinesischen Auflage, und zwar in Ljang (bis 1876) und in Seezoll-Ljang (ab 1887). Diese Zahlen weichen von denen früherer Ausgaben ab, unterstreichen aber noch mehr die Tendenzen der chinesischen Handelsbilanz).

Das Defizit der chinesischen Handelsbilanz, das vor 1880 gering war, nahm seit dem rapide zu. Bis dahin können wir aber mit Marx sagen, dass die »Öffnung« des chinesischen Marktes die Hoffnungen Englands enttäuschte. In einem anderen Artikel von 1859 hatte Marx fast am Ende des zweiten Opiumkrieges folgende Schlussfolgerungen aus seiner Untersuchung gezogen:

»Zu einer Zeit, da höchst phantastische Vorstellungen über den Auftrieb in Umlauf waren, den der amerikanische und britische Handel ganz sicher durch die sogenannte Öffnung des ›Reichs des Himmels‹ erhalten würde, unternahmen wir es, durch eine einigermassen gründliche Übersicht über den chinesischen Aussenhandel seit Beginn des Jahrhunderts zu beweisen, dass solche hochfliegenden Erwartungen keinen festen Boden unter den Füssen hatten. Ganz abgesehen vom Opiumhandel, der, wie wir bewiesen, im umgekehrten Verhältnis zum Absatz westlicher Fabrikate wuchs, erkannten wir als Haupthindernis für jede rasche Ausdehnung des Exporthandels nach China die ökonomische Struktur der chinesischen Gesellschaft, die auf der Vereinigung kleiner Agrikultur mit häuslicher Industrie beruht.[…]«
»Es ist diese gleiche Einheit von Landwirtschaft und handwerklicher Industrie, die lange Zeit dem Export britischer Waren nach Ostindien widerstand und ihn immer noch hemmt; aber dort beruhte diese Einheit auf den besonderen Grundbesitzverhältnissen, die die Briten in ihrer Machtstellung als oberste Grundherren des Landes unterminieren konnten und auf diese Weise einen Teil der sich selbst erhaltenden hindustanischen Gemeinschaften gewaltsam in blosse Farmen verwandelten, die im Austausch für britische Stoffe Opium, Baumwolle, Indigo, Hanf und andere Rohstoffe produzieren. In China haben die Engländer diese Macht noch nicht ausüben können, und es wird ihnen wahrscheinlich auch niemals gelingen.« (»Der Handel mit China«, »New York Daily Tribune«, 3. 12. 1859; MEW, Bd. 13, S. 540/544).

Diese letzte Voraussage von Marx hat sich völlig bewahrheitet. China ist nicht als Kolonie Englands in die Geschichte eingetreten, sondern als »Kolonie der ganzen Welt«, um den Ausdruck von Sun Yat-sen zu benutzen. Die Schwierigkeiten Englands, den chinesischen Markt zu erobern, wurden weder durch den Opiumhandel, noch durch die »Kanonenpolitik«, noch durch die Vermehrung der »ungleichen Verträge« überwunden. Man musste warten, bis die erste Phase der kolonialen Expansion in Asien in den Imperialismus mündete, bis die Warenausfuhr durch die Kapitalausfuhr ersetzt wurde, um den Zusammenbruch des Widerstandes der alten asiatischen Produktionsweise zu erleben.

Auf den Vergleich zwischen Indien und China und auf den besonderen Platz, den China am Schnittpunkt zweier Epochen der Kolonialgeschichte innehatte, werden wir zurückkommen. Weisen wir hier lediglich darauf hin, dass Marx’ Untersuchung der ökonomischen Entwicklung Chinas Im Gegensatz zur maoistischen steht. Wenn zwar der Opiumhandel, der notwendig war um die Tore des Reichs des Himmels zu bedrängen, zu einem Hindernis für die Ausdehnung des chinesischen Marktes wurde, so sieht Marx darin keineswegs den wesentlichen Bremsfaktor für den Siegeszug einer Marktwirtschaft. Er geht nicht wie unsere maoistischen Geschichtsschreiber auf die Suche nach einem nationalen Weg zum Kapitalismus. Im Gegenteil, er zeigt dessen Schwierigkeiten auf: Widerstand der alten Wirtschaftsstrukturen und Fehlen einer nationalen oder kolonialen (Indien) Macht, die fähig sei, die Kapitalakkumulation mit Gewalt vorwärts zu treiben. Der Taipingaufstand war nicht in der Lage gewesen, eine solche Macht zu schaffen. Die Kompradorenbourgeoisie tat es nur ansatzweise. Erst die Volksdemokratie konnte diese Macht in China fest errichten. Man versteht, warum die neuen Mandarins die Geschichte Chinas nach ihrer Art umschreiben!

Man muss noch hervorheben, dass Marx die objektiven Schranken des chinesischen Marktes nicht von einem nationalen, sondern von einen internationalistischen Gesichtspunkt aus betrachtet. Er hegt nicht die »ultraimperialistische« Hoffnung einer industriellen Entwicklungshilfe für China; ebensowenig predigt er die kleinbürgerliche Fassung dieses Programms, nämlich den »gleichen« und »gegenseitig nützlichen« Handelsaustausch. Von der Kontraktion des chinesischen Marktes erwartete er eine revolutionäre Krise in Europe und fürchtete, dass die Ausdehnung dieses Marktes zu einer Verzögerung der proletarischen Revolution im Westen führen würde. Lesen wir einen Auszug aus seinem Brief an Engels vom 8. Oktober 1858:

»Die eigentliche Aufgabe der bürgerlichen Gesellschaft ist die Herstellung des Weltmarkts, wenigstens seinen Umrissen nach, und einer auf seiner Basis ruhenden Produktion. Da die Welt rund ist, scheint dies mit der Kolonisation von Kalifornien und Australien und dem Aufschluss von China und Japan zum Abschluss gebracht. Die schwierige question [Frage] für uns ist die: auf dem Kontinent ist die Revolution imminent und wird auch sofort einen sozialistischen Charakter annehmen. Wird sie in diesem kleinen Winkel nicht notwendig gecrusht [unterdrückt] werden, da auf viel grösserm Terrain das movement [Bewegung] der bürgerlichen Gesellschaft noch ascendant [aufsteigend] ist?« (MEW, Bd. 29, S. 360)

Marx antwortet negativ auf diese Frage, wie Lenin später auf Kautsky und wir heute auf die verschiedenen Chruschtschows, Mao Tse-tungs und andere Propagandisten der »aufsteigenden Bewegung« der bürgerlichen Gesellschaft antworten.

In seiner Antwort auf Kautsky betonte Lenin die noch grösseren Widersprüche, die der siegreiche Imperialismus in den rückständigen Ländern entfesselt hatte. Insbesondere zitiert Lenin das Beispiel Chinas, das für das grössere Gedeihen der Kapitalexporte in Einflusssphären geteilt worden war. In unserer heutigen Antwort auf die bürgerlichen »Fortschrittler« können wir auf die Geschichte der ökonomischen Krisen und der sozialen Gegensätze in Asien hinweisen, können wir den Renegaten die glorreichen Kämpfe des russischen und chinesischen Proletariats ins Gesicht werfen – vor allem muss man aber erklären, dass, wenn die Arbeiter des Orients besiegt wurden, wenn die bürgerliche Gesellschaft in diesem geographischen Gebiet ihre »aufsteigende Bewegung« fortsetzen konnte, so weil die Proletarier des Westens nicht in der Lage gewesen sind, ihre Klassenpflicht zu erfüllen und die traditionellen Festungen des Kapitals zu erobern. Die Niederlage des europäischen Proletariats im Laufe der imperialistischen Kriege und Krisen des XX. Jahrhunderts war nicht »notwendig«. Hingegen wurde infolge dieser Niederlage die Akkumulation des Kapitals in Russland oder in China zu einer Notwendigkeit für die Entwicklung des Weltmarktes.

Aufgrund seiner politischen und ökonomischen Lage wurde China zum ersten Kolonialland, wo sich die Tendenzen des modernen Imperialismus manifestierten. Die Umkehrung der Handelsbilanz ca. 1880 reflektierte teilweise diese Änderung. Man begann damit, Opium in China und Tee in Indien anzubauen, so dass diese Produkte ihre Wichtigkeit für den chinesischen Aussenhandel grösstenteils einbüssen mussten. Im übrigen wurde das wachsende Handelsdefizit durch die Anschaffung von Produktionsgütern oder Rohstoffen für die nationale Industrie oder für die Unternehmen, die die ausländischen Kapitalisten in den Konzessionen errichteten, verursacht.

Die maoistische Schule bemüht sich, die Rolle der Kompradorenbourgeoisie als Pionier des nationalen Kapitalismus zu minimieren. Dadurch möchte sie das China der Jahrhundertwende als ein einfaches Reservoir von Rohstoffen für den Weltimperialismus und Absatzmarkt für die Fabrikate des Westens darstellen. Die Geschichte der Beziehungen zwischen Imperialismus und Kompradorenbourgeoisie entspricht aber keineswegs dieser Auffassung des kleinbürgerlichen Patriotismus, und die Apologeten des »Nationalen Kapitals« haben es oft schwer, die Wirklichkeit zu vertuschen. So ist es mit einer statistischen Sammlung; die 1955 in Peking unter dem Titel »Histoire du développement économique de la Chine« (1810–1948) veröffentlicht wurde. Im dritten Abschnitt dieses Werkes finden wir Tabellen, die trotz grober Kunstgriffe, die die Erfassung der Änderungen in der chinesischen Aussenhandelsstruktur erschweren, diese Tendenz illustrieren. Wir geben die Tabelle 55 über den Kauf und Verkauf von Rohbaumwolle und Baumwolle wieder:

Baumwolle und Baumwolltextilien im chinesischen Aussenhandel (1873–1947)
  1873 1883 1893 1903 1910 1920 1930 1936 1947
Rohbaumwolle (Tausend Zentner)
Ausfuhr 15 13 348 459 754 227 499 368
Einfuhr 122 127 32 35 124 1017 2090 406 1212
Ausfuhrüberschuss(+)
Einfuhrüberschuss(-)
−107 −114 +316 +424 +630 −790 −1591 −38 −1212
Baumwollgarne (Tausend Zentner)
Ausfuhr 42 199 89 34
Einfuhr 41 137 593 1656 1380 801 98 6
Ausfuhrüberschuss;(+)
Einfuhrüberschuss:(−)
−41 −137 −593 −1656 −1380 −759 +101 +83 +34
Baumwollgewebe (Tausend Dollar)
Ausfuhr 58 153 1005 1497 3006 7711 15 258 8969
Einfuhr 24 716 25 256 39 720 92 783 99 497 251 624 202 165 12 089
Ausfuhrüberschuss:(+)
Einfuhrüberschuss(−)
−24 658 −25 103 −38 715 −91 286 −96 491 −243 913 −186 907 −3120

Ausgenommen die Periode zwischen 1893 und dem ersten Weltkrieg stellen wir fest, dass die Importe von Rohbaumwolle für die chinesische Industrie regelmässig im Überschuss sind. In Einklang damit gehen die Baumwollgarnimporte, die bis 1903 zunahmen, danach ständig zurück, bis China 1930 zum Nettoexporteur wird. Obwohl weniger eindeutig ist die Tendenz der Baumwollwebwaren ähnlich.

Die Tabellen 48 und 49 desselben Buches wären noch bedeutender, wenn sie in der Darstellung der jeweiligen Anteile der verschiedenen Produkte am chinesischen Aussenhandel nicht eine geheimnisvolle Rubrik enthielten, die »Andere Waren« genannt wird und deren Prozentanteil von 21,9 % 1871–73 auf sage und schreibe 63 % 1936 steigt. Ob diese Rubrik die von der Kompradorenbourgeoisie und den ausländischen Kapitalisten importierten Produktionsmittel enthält? Wir sind versucht, es zu glauben. Andererseits zeigt das Kapitel über die Importe, dass der Opiumanteil von 37,7 % 1871–73 auf 0,05 % 1919–21 zurückgeht, während der Anteil an Baumwollwebwaren sich in derselben Periode von 30,2 % auf 18,4 % reduziert, eine absteigende Tendenz, die sich bis 1947 weiter fortsetzt.

Wie soll man diese Daten interpretieren? Die Hindernisse für die Entwicklung des chinesischen Marktes, die Marx Mitte des 19. Jahrhunderts aufgezeigt hatte, wurden einige Jahrzehnte später teilweise überwunden. Wie? Durch den Übergang vom Warenexport zum Kapitalexport, oder besser zum Export der kapitalistischen Produktionsweise überhaupt in die rückständigen Länder.

Der Imperialismus und die Kompradorenbourgeoisie

Als er noch Marxist war, wusste Karl Kautsky eine rigorose Analyse des Imperialismus durchzuführen. Diese Analyse steht in einem krassen Gegensatz zu seinen späteren Behauptungen und zu den politischen Schlussfolgerungen, die er in der Epoche der III. Internationale daraus zog, Schlussfolgerungen, die später vom russischen und chinesischen Stalinismus übernommen wurden.

In seinem wohl letzten marxistischen Werk, »Der Weg zur Macht«, schrieb Kautsky 1910:

»Die kapitalistischen Exporteure brachten in die Gegenden, die ausserhalb der europäischen Zivilisation lagen (zu der heute natürlich auch Amerika und Australien gehören) zunächst nur kapitalistische Produkte, nicht kapitalistische Produktion. Und sie beschränkten sich dabei vornehmlich auf die Wasserwege, die Küsten der Meere und einiger grossen Ströme. Darin trat ein gewaltiger Umschwung während des letzten Menschenalters und namentlich der letzten zwei Jahrzehnte ein. Sie brachten nicht nur eine neue Ära der überseeischen Eroberungspolitik, die Ausfuhr aus den Industriestaaten nach den barbarischen Ländern wurde nun aus einer blossen Ausfuhr von Produkten auch eine von Produktions- und Transportmitteln des modernen Industrialismus.
Wir haben oben gesehen, in welchem Masse das Eisenbahnwesen während dieses Zeitalters namentlich im Orient (Russland hier inbegriffen) rapide Fortschritte machte. Aber auch die kapitalistische Industrie entwickelte sich dort rasch, die Textilindustrie, Eisenindustrie, Bergbau. […]
Auf diesem Export von Produktionsmitteln beruhte die neue Blüte der kapitalistischen Industrie seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Sie schien in der ersten Hälfte der achtziger Jahre schon am Ende ihrer Aufschwungsfähigkeit zu sein und war es, was den Export von Fabrikaten anbelangt. Aber der Export von Produktionsmitteln, der ihr dann wieder jenen unerwarteten, glänzenden Aufschwung verlieh, er war nur möglich dadurch, dass er eine kapitalistische Produktionsweise in den Ländern der aussereuropäischen Zivilisation grosszog und dort die überkommenen wirtschaftlichen Verhältnisse rasch über den Haufen warf.« (Kautsky, »Der Weg zur Macht«, Frankfurt, 1972, S. 101–102)

Diese Tendenzen haben sich in den Ländern besonders behauptet, die der europäische Kapitalismus bis dahin noch nicht in koloniale Schutzreviere einer bestimmten Metropole verwandeln konnte, wie Südamerika und vor allem das zaristische Russland und China. Erst nach dem Ende des zweiten Weltkriegs und nach den »grossen Siegen des Sozialismus« moskauer Observanz sollten die alten europäischen Kolonien Afrikas und Asiens voll unter die gebenedeite Politik des russisch-amerikanischen Imperialismus »gelangen«: Ausfuhr von Kapital und der kapitalistischen Produktionsweise. Der explosive Charakter der Gegensätze, die der sogenannte »Neokolonialismus« in diesen Gebieten zusammenballt, wird umso klarer, wenn man sie im Lichte der vorhergegangenen Erfahrungen Russlands und Chinas untersucht. Es war kein Zufall, wenn Russland und China am Anfang dieses Jahrhunderts im Mittelpunkt der mächtigsten revolutionären Ausbrüche standen: beide waren damals die auserwählten Länder des westlichen Kapitals, das Dorado der »Entwicklungspläne«. Das Scheitern all jener »Pläne« kann bereits den Vorgeschmack der künftigen Krisen in den vom Weltimperialismus jüngst annektierten Ländern liefern.

Nach dem zweiten Opiumkrieg und dem Taipingaufstand verstand ein Flügel der herrschenden Klasse in China, dass Reformen unerlässlich waren. Auch der Zarismus war nach seiner Niederlage im Krimkrieg 1855 von derselben Offenbarung erleuchtet worden. In China ging die Initiative dieser »Westorientierung« unter dem Zeichen der sog. »Selbststärkungsbewegung« (Yang-wu-Bewegung) auf die Kriegsherren Tseng Kuo-fan und vor allem Li Hung-chang zurück, die nach der These Wei Yuans[12] »von der Überlegenheit der Fremden lernen, um ihre überlegene Macht zu zügeln« den »Eindringlingen« in den Jahren 1861–1894 verstärkt begegnen wollten. Ihr Ziel war zunächst, China mit einer modernen, dem Westen nachgebildeten Armee zu versehen. Li Hung-chang liess Munitionswerkstätten und Werften mit ausländischem Material und chinesischem Staatskapital bauen. Diese Politik dehnte sich aber bald auf eine ganze Reihe von Aktivitäten aus: öffentliche Dienstleistungen, Eisenindustrie und Textilindustrie usw.

»Diese Kriegsherren«, schreibt die »Histoire générale de la Chine«, Seite 117, »haben ihre Hände gleichfalls auf die Schifffahrt und den Bergbau geworfen. Das berühmteste Unternehmen dieser Art war die ›China Merchant Steam Navigation Co.‹ die Li Hung-chang 1872 gründete. Obwohl sie neben Kapital, das die Regierung bereitgestellt hatte, auch Privataktionäre hatte, wurde dieses Unternehmen völlig von den Mandarinen und den Kompradoren kontrolliert, während die gewöhnlichen Aktienbesitzer in Wirklichkeit über keine beschliessende Stimme in der Unternehmensverwaltung verfügten […]«.

Diese Organisation nannte man Kuan-tu Shang-pan-Unternehmen oder übersetzt etwa: »System staatlicher Kontrolle und kaufmännischer Leitung«. Es handelte sich dabei um eine Art von »gemischtwirtschaftlichem« Konzern die rechtlich von den Behörden abhängig waren, während die Geschäftsführung selbst in die Hände chinesischer Kaufleute gegeben wurde. Daneben gab es noch sog. Kuan-pan-Betriebe, d. h. reine Staatsbetriebe.

In all diesen Unternehmen wurde die Staatskontrolle streng beachtet. Und erstaunlich, mit welchem Mitleid unsere maoistischen Historiker sich mit dem Schicksal des »gewöhnlichen« Aktienbesitzers beschäftigen, denen in den ersten chinesischen Kapitalgesellschaften nicht einmal beschliessende Stimme zugestanden wurde! Unsere Autoren können erst dann besser atmen, wenn sie den Einzelkapitalisten entstehen und gedeihen sehen:

»Während des Jahrzehnts von 1870–1880 begannen einzelne Privatkapitalisten, kleine Metallverarbeitungswerkstätten, Papierfabriken, Streichholzfabriken und Seidenspinnereien in Shanghai, Hankow, Wuhan usw. zu gründen, was die neue nationale kapitalistische Industrie, die erste dieser Art in China darstellte« (ebda; S. 117–113).

Merkwürdiger chinesischer »Sozialismus«: die kleine Streichholzfabrik des Einzelkapitalisten, der Pflug des Kleinbauern, das ist der »Fortschritt«, der »nationale Kapitalismus« und die »neue Demokratie«. Die Arsenale von Li Hung-chang mit westlichem Material, Staatskapitalien und Lohnarbeitern, das ist die »Reaktion«, der »bürokratische Kapitalismus«, die Negation jedes »nationalen Weges« zum Kapitalismus überhaupt!

Die »Histoire du développement économique de la Chine«, die wir bereits zitiert haben, liefert eine Reihe von Hinweisen über die Verhältnisse zwischen privatem, öffentlichen und ausländischem Kapital in der Anfangsphase der kapitalistischen Akkumulation. Der Tabelle 62 entnehmen wir folgende Zahlen:

Zwischen 1872 und 1911 in China gebildete Unternehmen mit einem Kapital von 10 000 und mehr Yuan
Perioden Privatunternehmen staatliche und gemischte Unternehmen Unternehmen mit Beteiligung von ausl. Kapitel
Anzahl Kapital in 1000 Yuan Anzahl Kapital in 1000 Yuan Anzahl Kapital in 1000 Yuan
1872–1894 54 4805 19 16 003 1 629
1895–1911 345 76 840 47 27 574 30 25 432

So beschränkt diese Hinweise auch sind (sie betreffen lediglich den Bergbau und die Verarbeitungsindustrie), kann man doch klar erkennen, dass der chinesische Industriekapitalismus staatlich entstand und seit 1894 mit der Hilfe von Privatkapital und vom Weltimperialismus wuchs. Wie wir bereits erwähnten, kann man den Zeitpunkt, wo das ausländische Kapital anfing, massiv in China einzudringen, sehr genau feststellen. Bis 1894 beschränkte sich die Aktivität der westlichen oder japanischen Unternehmen in den grossen chinesischen Häfen auf die Dienstleistungen, die der Aussenhandel erforderte, Schiffsbau und Schiffsreparaturen, Luxusgüterindustrien in den Konzessionen. Mit dem Vertrag von Shimonoseki erhielt Japan ein Privileg, das sich sehr bald auf die anderen Grossmächte erstrecken sollte. Es handelte sich um das Recht, dass Ausländer Produktionsstätten in China errichten und hierfür jede Art Maschinen frei einführen konnten. Diese Klausel des japanisch-chinesischen Vertrages von 1895 markiert eine neue Phase in der »Öffnung« Chinas: den Übergang vom Fabrikatenimport zum Kapitalimport.

Eine neue Reihe von »ungleichen Verträgen« ergänzt die in der Zeit der Opiumkriege erzielten Vergünstigungen mit jenen, die sich aus der imperialistischen Herrschaft ergeben. So konnte J. Chesneaux in »Le mouvement ouvrier chinois de 1919 à 1927« schreiben:

»Die ältesten unter diesen Privilegien entsprechen den Bedürfnissen des Handelszeitalters und bezwecken lediglich die Sicherstellung des Warenverkehrs und der persönlichen Bewegung der Kaufleute (Konzessionen, Exterritorialität, Begrenzung der Zollsätze), während eine zweite Reihe von Privilegien (Kontrolle über die Finanzen, Pachtgebiete) seit dem break-up die Sorge der Mächte widerspiegelt, ihre Investitionen auf chinesischem Boden zu sichern und zu schützen.«

Um die Beziehungen zwischen dem nationalen chinesischen Kapitalismus und dem ausländischen Imperialismus, wie auch die Rolle der Kompradorenbourgeoisie besser zu verstehen, untersuchen wir einige der Spitzenleistungen der Periode, die sich für China mit dem Vertrag von Shimonoseki eröffneten. Schauen wir uns zunächst den Eisenbahnbau an.

Wie bekannt, spielten die Eisenbahnen eine wichtige Rolle in der Unterjochung Chinas unter das ausländische Kapital sowie in der Zuspitzung der Rivalitäten zwischen den Imperialisten und in der Teilung des Landes in Einflusssphären, Konzessionen und Pachtgebiete. Sie stellen gleichzeitig ein unerlässliches Werkzeug für die Bildung des Binnenmarktes dar. Im »Industrieplan« von Sun Yat-sen wurde der Bau von 160 000 km Eisenbahnstrecke als vordringliche Aufgabe der ökonomischen Entwicklung Chinas gestellt. Die maoistische Demokratie ist (1964) noch weit davon entfernt, dieses Programm zu verwirklichen. Es stimmt allerdings, dass Sun Yat-sen nicht daran glaubte, es mit den Mitteln Chinas allein verwirklichen zu können. Man wird also nicht staunen, dass die folgende statistische Tabelle dem bürokratischen Kapitalismus vor dem chinesischen »Sozialismus« die Palme des Eisenbahnbaus gibt, nämlich in den zwei grossen Perioden von 1895–1911 und 1932–37.

Länge der in China zwischen 1876 und 1958 gebauten Eisenbahnen (in km)
Jahr Gesamt länge Länge nach Periode Durchschnittslänge pro Jahr
1876 15
1877–1894 864 364 20
1895–1911 9618 9253 544
1912–1927 13 040 3422 214
1928–1931 14 239 1198 299
1932–1937 21 036 6797 1133
1938–1948 24 945 3909 355
1949–1958 31 193 7157 715
Für die Jahre nach 1958 sind keine Zahlen mehr bekanntgeworden
1970 dürfte das chin. Eisenbahnnetz eine Streckenlänge von rd. 37 000 bis 38 000 km aufgewiesen haben. Vgl. »China Handbuch«, Düsseldorf 1974, S. 278).

Die Geschichte des chinesischen Eisenbahnnetzes illustriert sehr gut die Schwäche der chinesischen nationalen Bourgeoisie. Die Aufschwungsperioden (1895–1911 und 1932–37) waren Perioden der Niederlage oder der Stagnation des »nationalen Kapitalismus« (Unterdrückung des Boxeraufstands und japanische Besatzung). Umgekehrt war die Periode zwischen 1912–1927, die die grösste Entwicklung der Privatunternehmen der nationalen Bourgeoisie verzeichnete, eine Periode, wo China jährlich nur 214 Eisenbahnkilometer gebaut hat.

Die Schwäche dieser Bourgeoisie zeigt sich aber noch krasser, wenn man die Masse der Staatsanleihen für den Eisenbahnbau und die imperialistische Kontrolle über die Eisenbahnen berücksichtigt. Der Eisenbahnbau war eine der grossen Stützen des Kapitalexports. 1914 hatte der chinesische Staat nur 3,8 % des bestehenden Schienennetzes aus eigenen Mitteln gebaut, und die Schienenwege wurden nur in eigene Regie übernommen, um die Sicherheiten, die die Kreditgeber verlangten, zu erhöhen. Die »Histoire du développement économique de la Chine«: liefert folgende Tabelle über die Ausbeutung des Eisenbahnnetzes:

Imperialistische Kontrolle über die chinesischen Eisenbahnen (Prozentanteil auf die Gesamtlänge)
Jahre Unter chines. Verwaltung Unter direkter Ausbeutung des Imperialismus Unter ausländischer Kontrolle
1894 21,1 78,9
1911 6,9 39,1 54,0
1927 8,0 33,2 58,8
1931 15,7 30,4 53,9
1937 9,3 46,6 41,1
1948 65,6 (1) 8,8 25,6
(1) Diese Zahl schliesst die unter japanischer Besatzung gebauten Eisenbahnen sowie die von Formosa [Taiwan] ein.

Ein anderes Zeichen für die Schwäche der nationalen Bourgeoisie zeigt sich in der Orientierung ihrer Investitionen. Die Unternehmungen, die grosse Kapitalmassen erfordern (Eisenbahnen, Bergbau) waren fast ausschliesslich unter imperialistischer Kontrolle. Die Kompradorenbourgeoisie beschränkte ihre Ambitionen auf die Leichtindustrie: Textilien, Nahrungsmittel. 521 Unternehmen, die die nationale Bourgeoisie zwischen 1872 und 1911 mit einem Kapital von 160 Millionen Yuan gründete, teilten sich gemäss der zitierten statistischen Quelle wie folgt auf:

Branche Anzahl der Unternehmen Kapital
Bergbau und Metallindustrie 72 41,4
Maschinenbau 3 0,8
Textilindustrie 193 40,8
Nahrungsmittelindustrie 100 17,7
andere 153 59,3

Der grösste Teil der Schwerindustrie befand sich hingegen in ausländischen Händen: Das Auslandskapital ist an 90 % der modernen Eisenerzgruben und an 100 % der modernen Eisenhütten und Stahlwerke beteiligt (1914). Von den ausländischen Nationen, die in den chinesischen Bergbau investierten, waren Japan und Grossbritannien die weitaus erfolgreichsten. Ihre Investitionen waren fast ausschliesslich auf den Kohlen- und Eisenerz- Roheisen-Sektor beschränkt, wobei praktisch Japan der einzige ausländische Investor auf dem chinesischen Eisenerz- und Roheisen-Sektor war.

Die Tabellen 75, 80 und 88 des chinesischen statistischen Handbuchs geben uns folgende Zahlen:

  Kohle (1) Eisen (1)
Jahre Gesamtproduktion (in Mio Tonnen) unter ausländischer Kontrolle (%) Gesamtproduktion (in Mio Tonnen) unter ausländischer Kontrolle (%)
1912 9,1 52,4 0,2 100
1913 12,9 55,4 0,4 100
1914 14,2 50,4 0,5 100
1915 13,5 56,5 0,6 100
1916 16,0 47,6 0,6 100
1917 17,0 49,0 0,6 100
1918 18,4 46,6 1,0 100
1919 20,1 48,1 1,3 100
1920 20,1 50,9 1,3 100
1921 20,5 49,4 1,0 100
1922 21,1 52,2 0,9 100
1923 24,5 54,8 1,2 100
1924 25,8 54,8 1,3 100
1925 24,2 54,2 1,0 100
1926 23,0 53,1 1,0 99,0
1927 24,2 56,0 1,2 99,3
1928 28,0 56,1 1,5 99,3
1929 25,4 57,7 2,0 99,7
1930 26,0 57,8 1,8 99,7
1931 27,2 53,5 1,8 99,4
1932 26,4 59,0 1,8 99,3
1933 28,4 64,9 1,9 99,1
1934 32,7 62,8 2,1 99,2
1935 36,0 36,0 2,9 99,4
1936 39,9 55,7 2,9 99,2
1937 37,2 61,1 3,4 99,7
1938 (2) 27,4
1939 36,6 4,5
1940 44,5 5,3
1941 56,3 7,5
1942 59,2 9,9
1943 50,1 10,6
1944 48,3 7,9
1945 23,9 0,4
(1) Für das Eisen, erfasst die Statistik lediglich die mechanisierte Produktion. Für die Kohle enthält sie auch die handwerkliche Produktion, was den Anteil unter ausländischer Kontrolle prozentual vermindert.
(2) Ab 1938 erfassen die zitierten Zahlen nur die von den Japanern besetzten Provinzen des Nordostens (Tab. 88.)

Dieses Bild der Schwäche der chinesischen Bourgeoisie, ihrer Beschränkung auf die Leichtindustrie, ihrer Abhängigkeit von den in den Händen des Imperialismus stehenden Kapitalien und Rohstoffen, ist aber nicht vollständig: es fehlt noch die Frage der Kontrolle auf finanzieller und politischer Ebene. 1854 wurde die chinesische Zollbehörde einem englischen Generalinspektor unterstellt. Mit der Erhöhung seiner Auslandsanleihen hat China seinen Zoll praktisch den Ausländern als eine Hypothek übergeben, und die Imperialisten sahen darin immer mehr eine Sicherheit für die gewährten Kredite. Man braucht nicht zu sagen, unter welchen Bedingungen sich die nationale Industrie gegenüber der ausländischen Konkurrenz befand. Die Lage wurde durch eine innere Zollschranke, die in der Epoche des Taipingaufstands errichtet worden war, noch verschlimmert. Um innerhalb Chinas zu zirkulieren mussten die chinesischen Waren an den Provinzgrenze Zoll zahlen. Dieser Zoll (Likin genannt) betrug ursprünglich 1 %, stieg aber im Laufe der Zeit in gewissen Provinzen auf 5 % und sogar auf 20 %. In seinen Buch von 1924 über die »3 Prinzipien des Volkes« schilderte Sun Yat-sen die Lage des chinesischen Zolls wie folgt:

»[…] Man fing damit an, mit chinesischer Baumwolle und europäischen Maschinen zu spinnen und zu weben. So gibt es in Shanghai sehr grosse Spinnereien und grosse Webereien. Man könnte in der Tat mit diesem Garn und mit diesem Gewebe die europäischen Waren schlagen. Da aber die Zölle noch in den Händen der Ausländer sind, erhalten diese noch hohe Gebühren über unsere einheimische Tuchproduktion. Und nicht nur die Seezölle erhalten hohe Gebühren, sondern auch im Lande muss auf jede Ware der Likin entrichtet werden. China hat also nicht nur keinen Schutzzoll, sondern die Zollgebühren, die auf den einheimischen Waren lasten, dienen noch dem Schutz der europäischen Waren.«

In den Jahren nach dem ersten Weltkrieg, brachen diese Widersprüche zwischen der »nationalen« Bourgeoisie und dem Imperialismus heftig aus. Während des Krieges hatte es keine mächtige ausländische Konkurrenz gegeben, und die chinesischen Unternehmen konnten in einem gewissen Masse aufblühen: zwischen 1914 und 1921 stieg die Zahl der Baumwollspinnereien in chinesischen Händen von 7 auf 23 und die Spindelzahl von 160 900 auf 508 746. Dieser Fortschritt, allerdings immer auf die Leichtindustrie beschränkt, stiess sich bald wieder an der Rückkehr des europäischen Kapitals und vor allem an den beträchtlichen Stärkung der japanischen Position, die sich seit 1915 in den 21 Forderungen Japans an die chinesische Regierung geäussert hatte.

Wir haben gesehen, wie sich der Imperialismus mit der Entwicklung des Kapitalexportes und des Exportes der kapitalistischen Produktionsweise überhaupt anstelle des einfachen Warenexportes entwickelt hat, wie der europäische Kolonialismus und dann Imperialismus China aus seiner Isolierung gerissen hat, um es mitten in die Gegensätze, Krisen und Kriege der modernen Geschichte zu werfen, wie andererseits der Export »der kapitalistischen Produktionsweise überhaupt« in China eine widersprüchliche Entwicklung einleitete: Schwäche der nationalen Bourgeoisie trotz der Entfaltung der Grossindustrie und der Ausdehnung eines modernen Transportnetzes; Schwierigkeiten, einen nationalen Markt zu bilden, sei es wegen des Druckes von aussen, sei es wegen der Stagnation der kleinen Landwirtschaft; schliesslich schnelles Wachstum eines stark konzentrierten einheimischen Proletariats, das sehr bald das Bewusstsein seiner spezifischen Klassenziele erlangen wird. Bevor wir im folgenden Artikel auf die Periode der Machteroberung durch die maoistische Partei und auf die darauffolgende Entwicklung zu sprechen kommen, fassen wir noch die wichtigsten Phasen des im heutigen Artikel beschriebenen Prozesses zusammen, eines Prozesses, der keineswegs »friedlich«, keineswegs »harmonisch« und nicht einmal rein »national« war:

1840–1860: »Öffnung« des chinesischen Marktes durch die englischen Fabrikanten auf der Suche nach neuen Absatzmärkten; die Politik der Kanonengewalt und des Opiumhandels führt zum Taipingaufstand, der allerdings unfähig war, sich in eine bürgerliche Revolution zu verwandeln.

1860–1880: Höhepunkt der freien Konkurrenz in Europa und Entstehung der ersten Kartelle (vor allem nach der Krise von 1873); parallel dazu entwickeln sich in China erste Ansätze einer Kompradorenbourgeoisie, deren Traum darin bestehen wird, einen Staatskapitalismus im Schatten der Mandschu-Dynastie zu errichten.

1880–1914: die Monopole beherrschen nach und nach die Gesamtheit des Wirtschaftslebens; die Grossmächte führen die koloniale Aufteilung der Welt durch; der Kapitalismus gelangt zu seiner imperialistischen Phase – diese wird in China durch den japanisch-chinesischen Krieg 1895 eröffnet, der die Politik der Kapitalexporte und der Teilung in Einflusszonen einleitet.[13]

1914… Der erste Weltkrieg führt in China zu einem Rückgang der europäischen Herrschaft, durch eine gewisse Entwicklung des nationalen Kapitals, und was vor allem durch das kräftige Eindringen jüngerer Imperialismen (Japan und USA) ausgeglichen wird.

Anhang

 

Auslandsinvestitionen von 1902–1936 – aufgeschlüsselt nach direkten und indirekten Investitionen (in US-$ Mio) – inkl. Hongkong, Mandschurei, exkl. Boxeraufstand-Reparationen.
Investitionsart 1902 1914 1931 1936
  $-Mio % $-Mio % $-Mio % $-Mio %
Direkt-investitionen 503,2 64 1067,0 67 2493,2 78 2681,7 77
Indirekte investitionen: Anleihen d. chinesischen Regierung 284,7 36 525,8 33 710,6 22 766,7 22
Indirekte investitionen: Darlehen an Privatgruppen 0,0 0 17,5 1 38,7 1 34,8 1
Summe 787,9 100 1610,3 100 3242,5 100 3483,2 100
Quelle: Chi-ming Hou, »Foreign Investment and Economic Development in China 1840–1937«, Cambridge (Mass.) 1965.

 

Höhe des Auslandskapitals in den einzelnen Bereichen
Bereich 1914 1931
  $-Mio % $-Mio %
Administration 330,3 20,5 427,7 13,2
Transport 531,1 33,0 846,3 26,1
Verkehr (’Communication’) und öffentliche Versorgungsbetriebe 26,6 1,7 128,7 4,0
Import-Export Handel 142,6 8,8 483,7 14,9
Bankwesen und Finanzen 6,3 0,4 214,7 6,6
Bergbau 59,1 3,7 128,9 4,0
Fabrikation 110,6 6,9 376,3 11,6
Grundbesitz (’real estate’) 105,5 6,5 339,2 10,5
Verschiedenes 298,2 18,6 282,8 8,7
Schuldverschreibungen 0,0 0,0 14,2 0,4
Summe 1610,3 100 3242,5 100

 

Ausländische Direkt- und Indirekt-Investitionen in China von 1902–1904 nach Nationen (in US$ Mio) inkl. Hongkong, Mandschurei – exkl. Boxeraufstand-Reparationen
Land 1902 1914
direkte Inv. indirekte Inv. Summe direkte Inv. indirekte Inv. Summe
$-Mio % $-Mio % $-Mio % $-Mio % $-Mio % $-Mio %
Grossbrit. 150,0 29,5 110,3 38,7 260,3 33 400,0 37,5 207,5 38,2 607,5 37,7
Japan 1,0 0,2 0,0 0,0 1,0 0,1 192,5 17,9 9,6 1,8 219,6 13,6
Russland 220,0 43,7 26,0 9,1 246,5 31,3 236,5 22,2 32,8 6,0 269,3 16,7
USA 17,5 3,5 2,2 0,8 19,7 2,5 42,0 3,9 7,3 1,3 49,3 3,1
Frankreich 29,6 5,9 61,5 21,6 91,1 11,6 60,0 5,6 111,4 20,5 171,4 10,7
Deutschl. 85,0 16,9 79,3 27,9 164,3 20,9 136,0 12,7 127,6 23,5 263,6 16,4
Belgien k.A. k.A. k.A. k.A. 4,4 0,6 k.A. k.A. k.A. k.A. 22,9 1,4
Holland 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
Italien 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
Skandinav. 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
Andere k.A. k.A. k.A. k.A. 0,6 0,1 k.A. k.A. k.A. k.A. 6,7 0,4
Summe 503,2 100 284,7 100 787,9 100 1067,0 100 543,3 100 1610,3 100
Quelle: Die Einteilung der Investitionen nach 1. Indirekt (Anleihen/Darlehen) und 2. Direkt folgt dem statistischen Material von C. F. Remer (»The foreign trade of China«, Taipei 1967).

 

Ausländische Direkt- und Indirekt-Investitionen in China von 1931–1936 nach Nationen (in US$ Mio) inkl. Hongkong, Mandschurei – exkl. Boxeraufstand-Reparationen
Land 1931 1936
direkte Inv. indirekte Inv. Summe direkte Inv. indirekte Inv. Summe
$-Mio % $-Mio % $-Mio % $-Mio % $-Mio % $-Mio %
Grossbrit. 963,4 38,6 225,8 30,1 1189,2 36,7 1059,3 39,5 161,5 20,1 1220,8 35,8
Japan 874,1 35,1 224,1 29,9 1136,9 35,1 1117,8 41,7 241,4 30,1 1394,0 40,0
Russland 273,2 11,0 0,0 0,0 273,2 8,4 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
USA 155,1 6,2 41,7 5,6 196,8 6,1 244,6 9,1 54,2 6,8 298,8 8,6
Frankreich 95,0 3,8 97,4 13,0 192,4 5,3 142,0 5,3 92,1 11,5 234,1 6,7
Deutschland 75,0 3,0 12,0 1,6 87,0 2,7 59,1 2,2 89,4 11,2 148,5 4,3
Belgien 41,0 1,6 48,0 6,4 89,0 2,7 13,8 0,5 44,6 5,6 58,4 1,7
Holland 10,0 0,4 18,7 2,5 28,7 0,9 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
Italien 4,4 0,1 42,0 5,6 46,4 1,4 7,8 0,3 64,5 8,0 72,3 2,1
Skandinav. 2,2 0,1 0,9 0,1 3,1 0,1 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
Andere 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 k.A. k.A. k.A. k.A. 56,3 1,6
Summe 2493,2 100 749,3 100 3242,7 100 2681,7 100 801,5 100 3483,2 100
Quelle: Die Einteilung der Investitionen nach 1. Indirekt (Anleihen/Darlehen) und 2. Direkt folgt dem statistischen Material von C. F. Remer (»The foreign trade of China«, Taipei 1967).

 

Notes:
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  1. Wei Yuan (1794–1857) beschäftigte sich während der ersten Hälfte seines Lebens mit Philosophie und Literatur. Seit 1826 betätigte er sich auf politischem Gebiet. Er führte die Niederlagen in den Opiumkriegen neben der militärischen Unterlegenheit und der korrupten Dynastie vor allem auf die völlige Unkenntnis der Chinesen über die Europäer zurück. Wei Yuan, der oft als erster Denker in der modernen Geschichte Chinas bezeichnet wird, trat daraufhin nicht nur dafür ein, dass China den Westen kennenlernen sollte, sondern er ging noch einen Schritt weiter und forderte, dass China vom Westen lernen müsse.

  2. Vgl. über die Entwicklung der ausländischen Investitionen Tabellen im Anhang. Die dortigen Zahlen nach Chi-ming Hou, »Foreign Investment and Economic Development in China 1840–1937«, Cambridge (Mass.) 1965. Die Einteilung der Investitionen nach 1. Indirekt (Anleihen/Darlehen) und 2. Direkt folgt dem statistischen Material von C. F. Remer (»The foreign trade of China«, Taipei 1967). Er ging bei seinen empirischen Untersuchungen von der Prämisse aus, dass Auslandsinvestitionen Einkommensquellen von Ausländern in Form von Individuen, Firmen oder Regierungen darstellen, die in oder ausserhalb Chinas leben. Insofern sind diese Daten wesentlich objektiver als z. B. die des Handelsministeriums der USA, dass bei seinen Untersuchungen von der Prämisse ausging, dass Auslandsinvestitionen nur solche sind, die von Nicht-Ortsansässigen getätigt werden.



Source: »Kommunistisches Programm« (»Bulletin«), № 12, Oktober 1976, S. 6–25

Digitalisierung und redaktionelle Bearbeitung im Oktober 2025. Rechtschreibungs-, Übersetzungs- und andere Fehler wurden stillschweigend berichtigt, chinesische Namen und Bezeichnungen wurden partiell korrigiert und vereinheitlicht.
Wir weisen darauf hin, dass der ursprünglich französische Text und die deutschsprachige Variante vor allem in den letzten Teilen voneinander abweichen, von daher verlinken wir jeweils auf den Anfang der anderssprachigen Artikelserie.

Zur Schreibung chinesischer Namen in diesem Text siehe die Tabelle im ersten Teil.
Zu Fragen der Romanisierung chinesischer Namen etc. siehe unsere Seite (in Englisch) «A Non-Exhaustive Euro-Hannic Transcription Engine»

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